
Es ist in Mode gekommen, von Reisen was mitzubringen, gern auch unter Schreiberlingen. Eine Geschichte, ein Erlebnis, eine Reflexion über Leben, Liebe und Wein. In Spanien, längst nur noch einen gefühlten Steinwurf away, stolpert der alemannische Besucher allerdings ständig über seinen eigenen Schatten. Nicht nur, weil überall schlecht getarnte Landsleute rumlungern. Dafür rächen sich die Spanier längst ausgiebig auf Wiesn und in Hackeschen Höfen, da sind wir quitt.
Nein, es sind die Einheimischen selbst, die ihr Land merkelisieren. Keine Nachrichtensendung, in der nicht „la Merkel“ nichts Gutes verhieße und wieder einmal das gebeutelte Spanien aufforderte, doch noch einmal doppelt so viel zu sparen. Keine Zeitung, in der nicht ihr Bild prangte – wer auf den Politikseiten leer ausgeht, wird im Wirtschaftsteil belohnt. Tendentiell wird sie schief von der Seite angeschielt oder in halbe Schatten getaucht. Huhuu, die Wachfrau des Euros.
„Der Wind feggt die Blätter wegg, ich weiß, es ist nicht zu sbäät...“ So sang vor einigen Monaten in einer spanischen Fernsehserie über die 30er Jahre eine Nachtclubbesitzerin, die zugleich Kommunistin war und lesbisch noch dazu. Huhuu. Geheimnisumwölkt die Interpretin, ein Hauch Marlene Dietrich - und kein Mensch außer den wenigen deutschen Zuschauern konnte den Text verstehen. Was das soll? Es ist ja längst nicht alles.
Donnerstagsabends steht für den geneigten Reisenden Landesgeschichte im TV-Programm: Die seit mehr als zehn Jahren flimmernde Serienfamilie Alcantara ist in der Post-Franco-Zeit angelangt. Zwei Brüder in ihren späten 50ern betreten erstmals einen Sexshop und kaufen eine Zaubercreme. Huhuu, aus Alemania. Der Frau des einen verbrennt die Creme den Rücken, und dann träumt ihm ein seltsamer Traum. Da ist seine Frau, mit Pilotenbrille und Polizeimütze. Da ist der Bruder als Sexshopbetreiber, der Wortbrocken bricht, die alemannisch klingen. «Ist das inspir inpirdichen starten?!» Schräg? Schräger. Aleman.
Am Abend darauf macht José Mota Humor, und, das ist bemerkenswert, nicht ausschließlich fäkaler Art. Und siehe da, ein Sketch mit zwei SS-Männern, dazwischen Mota selbst in der Uniform der Franco-Partei Falange. Die SSler krakeelen sich an in grobem Deutsch - «Habben sie – Deutsche Bank...» - bis der Spanier entnervt dazwischen geht. «Dürfen hier auch Menschen reden? Ich verstehe nichts! Deutsch ist eine erfundene Sprache! Es wird nur nach außen hin gesprochen, um den Besuch zu beeindrucken. Aber jetzt ist niemand da.»
«Soastegesch» grunzt der Nazi zurück, holt eine Kartoffel raus und sagt: «Kartoffel!» «Patata!», widerspricht der Spanier. Und fragt den Koch und auch der sagt: Ja richtig, es heißt Patata. Da haben sie es dem Nazi aber gegeben.

Nackter Nonsens oder Metapher für die Zwickmühle, in der sich der Spanier zwischen Minderwertigkeitskomplex und Hybris windet? Der alemannische Reisende jedenfalls kommt nicht so recht raus aus diesem eigenartigen Schatten, den gar nicht er selbst wirft. Da bereiten ihm seine Landsleute schon den Boden und geben im Tausch gegen Sonne und Strand die Tölpel in Teva-Sandalen, die nach Jahrzehnten an der Costa noch immer nicht Patata sagen können.
Menschlicher geht es doch nicht. Aber den Mythos, der irgendwo zwischen Weltherrschaft, Angela Merkel und Lilli Marleen changiert, den wird er nicht los. Von wegen, der Wind feggt die Blätterr weg... in Spanien fallen doch gar keine Blätter. Vielleicht liegt da das Problem.