Erst gab Kai Diekmann allen Mitarbeiterinnen am Frauentag frei, und dann beschlossen die emotional vereinsamten Männer an diesem 8. März auch noch ganz spontan, das Seite-1-Girl abzuschaffen. Die obenrum nackte junge Frau, die ihnen jeden neuen Tag versüßte. Vermissten sie Kreativität, den Witz und die Empathie ihrer Mädels so sehr, dass sie dem Sexismus ein für alle mal abschworen?
Ab Samstag zumindest soll irgendetwas anderes den Platz in der linken unteren Hälfte der Titelseite füllen, auf dem seit 1984 mehr als 5000 Mädels posiert haben. Natürlich wolle Bild auch künftig sexy sein. «Aber moderner, besser verpackt im Inneren des Blattes», lesen wir heute am zum letzten Mal heißesten Platz des Blattes, und dann: «Und jetzt betrachten Sie bitte ein letztes Mal die schöne Eva aus Polen, und dann heißt es: Adieu, Seite-1-Girl!» Daneben hält Eva ihre großen Brüste in die Kamera. Sie ist die letzte.
Wie die Männer-Riege (angeblich) das Seite-1-Girl abschaffte
Eva - die erste Frau und das letzte Seite-1-Girl. Welch tiefe Symbolik. Keine Frage, die Bild-Zeitung ist die Meisterin der Inszenierung. Heute können wir brühwarm lesen, wie die Bild-Männer am gestrigen Frauentag die historische Entscheidung fällten. Eigentlich habe man eine reine Jungs-Ausgabe machen wollen. Doch dann kam Nachrichtenchef Carsten Gensing der dramatische Einfall. Und Kai Diekmann gab das Kommando an seine Matrosen: «Volle Kraft zurück. Das wird eine Frauenversteher-Ausgabe.»
Doch der Mär von der Sponti-Entscheidung am Frauentag darf man ruhig skeptisch gegenüberstehen. Längst hatte der Bild-Leserrat die Abschaffung der nackten Mädels gefordert, und es kommt inzwischen in der Breite der Bevölkerung einfach besser an, Sexismus zu verurteilen als ihn zu pflegen. Das muss auch ein Boulevardblatt irgendwann einsehen.
Nun ist es also soweit, und eigentlich passt das der Bild gerade auch ganz gut ins Konzept. Nachdem die Zeitung mit dem Wulff-Ausraster auf Kai Diekmanns Mailbox erstmals eine Art Opferstatus genießen durfte, will sie wohl den Wind der Wende nutzen und ihr Image polieren. Selbstironisch geben sich heute die Männer in ihrer Berichterstattung über den testosteronüberladenen Frauentag, und noch ein weiteres Mal senkt die Macho-Riege betreten das Haupt, unter dem Titel «Diese alte Schlagzeile ist uns heute ganz schön peinlich.»
Bild schleimt sich so richtig ein
Dahinter verbirgt sich der Titel vom 13. Mai 1970, der, rot unterstrichen, proklamierte: «Frauen haben weniger im Kopf als Männer.» Und, sozusagen als Wiedergutmachung, liefert Bild 50 frauenfreundlich aufbereitete Fakten aus der Statistik.
Ob Bild sich bei modernen Frauen einkratzen kann mit seiner neuen Strategie? Einen Leser jedenfalls hat sie offenbar verloren: ihren getreuen Postschreiber Wagner. «Ich denke, der Chefredakteur von BILD ist verrückt. Wie kann er das Mädchen der Träume verbannen.» Tja, Bild - nicht, dass die Aktion noch nach hinten losgeht. Aber viellleicht ist ja alles auch nur ein Werbegag.
Dieser Post ist als Artikel bei news.de erschienen.