2012 geht gut los. Ein Kreuzfahrtschiff, Symbol für Reichtum und Dekadenz, havariert vor dem ohnehin versunkenen Italien, in der Golf-Luft liegt wieder diese beißende Mischung aus Öl, Krieg, Macht und Geld, und jetzt streiten ausgerechnet Amerikas Konservative über Kapitalismus.
Nur Deutschland spielt Fels in der Brandung. Mit dieser Kanzlerin, die zu allem, was sie sagt, das magische Dreieck formt, mit Pythagoras im Sinn das ewige Gleichgewicht beschwört. A-quadrat plus b-quadrat gleich c-quadrat, das war schon so, als noch Alexander der Große den Griechen zeigte, wo der Hammer hängt. Kein Wunder, dass alles abperlt an ihr, was ist schon der Euro gegen die Wogen der Weltgeschichte.
Ordnung hilft nicht gegen ChaosEin alter Bekannter schrieb kürzlich in einer Mail, vor fünf Jahren habe er die Drogen drangegeben und nun stattdessen Job, Freundin, Wohnung, Hund, Führerschein, Auto. "Ziemlich spießig, aber es war entweder das oder jung sterben." Ich war mir nicht sicher, wie ernst er das meinte, und antwortete tröstend, früher oder später brauche wohl jeder seine Ordnung, und auch Brasilien habe ja "Ordem e progresso" in seiner Flagge stehen. Er hat darauf nicht geantwortet.
Aber diese Sache mit der Ordnung ist irgendwie Thema, letztens schrieb auch die Zeit ihre Titelstory dazu. Wenn man die Welt verstehen will, bietet es sich an, Kinder zu beobachten. Kleine Jungs verlieren sich darin, ihre Playmobil-Ritter in Reih und Glied zu sortieren, doch ist dies nur die Vorbereitung aufs Spiel. Das erzeugt dann völliges Chaos, und dieses wieder aufzuräumen gehört offenbar nicht zur menschlichen Gebrauchsanweisung. Es funktioniert nur mit Drohungen oder Erpressung.
Tja. Auch die Supermächte hegen und pflegen ihre Waffenarsenale. Die Finanzschieber entdecken wundersame Strukturen, Geld zu erzeugen, wo keines ist. Eine Batterie von Diktatoren hat ihren Stammplatz in der Abwehrkette der Weltenlenker. Doch die Ordnung ist auch hier nur die Vorbereitung, denn im Innern brodelt es. Irgendwann bricht dann aus, wonach wir uns offenbar insgeheim alle sehnen: Aktion, Krieg, Unordnung, Revolution.
Alt werden ist auch keine LösungWie lautete doch gleich das Dilemma des alten Bekannten? Ordnung oder früh sterben? Die DDR ist früh gestorben, dabei lief dort alles nach Plan. Ian Curtis ist früh gestorben, dabei wollte er alles unter Kontrolle haben. Aber Griechenland, wo das Chaos herrscht, ist älter als alle anderen. Und wer jung stirbt, lebt am Ende ewig. Naja, außer dem Minidisc-Player vielleicht.
Nee, es finden sich keine rechten Regeln, es bleibt ein Tanz auf dem Vulkan, zwischen der Ordnung, die wir zu brauchen glauben, und dam Chaos, von dem wir abhängig sind. Wenn Ordnung herrscht, treten wir wie zufällig die unterste Dose im Stapel weg, den wir zuvor so mühevoll aufgebaut haben. Wahrscheinlich haben wir sie sogar vorher schon sabotiert, wie die EU ihre Stabilitätsklauseln. Wir genießen das laute Scheppern, spüren das Leben in uns, und dann...
So sehr wir es hassen, am Ende sind wir doch zum Aufräumen geboren, zum Staubwischen und Schutt wegschleppen. Irgendwann werden den alten Bekannten vielleicht die Hundehaare wahnsinnig machen oder er hat einen Autounfall. Ordnung hält nicht lange, und dann wünscht er sich den Saft der Chaostage zurück.
Wo das alles hinführen soll? Zur Merkelschen Geometrie natürlich. Als Physikerin weiß sie, wie Kräfte wirken. Und dass sie Naturgesetze nicht aushebeln lassen. Sie versucht das Spannungsfeld auszuhalten. Bisher gelingt ihr das ganz gut. Chaos im Quadrat plus Ordnung im Quadrat gleich Macht im Quadrat? Was zu beweisen wäre.