Schlabbert es auch so schön weich um Ihre Beine? Dann liegen Sie richtig, denn es ist Jogginghosentag. Heute, und morgen gleich nochmal. Überhaupt haben wir die Woche der Gemütlichkeit. Irgendwie ist das verdächtig.
Am Montag wurden wir schon zum Nichtstun angehalten, und heute trifft nun der Jogginghosentag auf den Casual Friday. Sicher, es ist wunderbar, dass Entschleunigung und Gemütlichkeit langsam aus der Gammelecke herauskommen oder, genauer gesagt, die Gammelecke selbst ein wenig Glamour erfährt. In dieser Woche allerdings ballt sich das genehmigte Faulenzertum derart, dass es schon fast verdächtig ist.
Nichtstun am 16. Januar, rumschlabbern am 20. und 21.Auf den 16. Januar platzierte der US-Journalist Harold Pullman Coffin vor 30 Jahren den «National Nothing Day», der hierzulande weniger poetisch als «Tag des Nichtstuns» angekommen ist. Nicht, dass irgendein Chef sich für Pullman Coffins Schnapsidee interessierte, aber jeder Arbeitnehmer kann bei sich denken, er arbeite, obwohl er es eigentlich auch lassen könnte. Und schon ist der Job gar nicht mehr so schlimm, der Arbeiter fröhlich bei der Sache - und am Ende der Chef der Gewinner.
Montag sind wir also bereits entspannt in die neue Woche hineingeglitten, und als am Mittwoch allmählich Verspannungen einsetzten, liefen schon erste Ankündigungen für den Jogginghosentag ein. Den hat Facebook sich ausgedacht und ihn auf den 21. Januar gebettet, der auch den Weltknuddeltag beherbergt. Ist das kuschlig! Doch in diesem Jahr kommt es noch weicher.
Denn was bringt ein Jogginghosentag am Samstag, wenn es doch darum geht, ganz provokant am Arbeitsplatz zu lümmeln? Der workaholisierten Welt zu zeigen: Wir sehen nichtsnutzig aus und stehen dazu. Wir machen unser Ding, lassen uns nicht kleinkriegen, leben unser Leben. Ja, das sollen die ruhig sehen, die trotzdem mit Bügelfalte gekommen sind. Sie sollen wissen: An 264 Tagen folgen wir ihrem Diktat, aber heute, ätsch Pustekuchen, heute haben wir Facebook auf unserer Seite, und das sind Millionen.
Warum der Jogginghosentag eigentlich reaktionär istLange Hose, kurzer Sinn: Damit er richtig zur Geltung kommt, durfte der Tag der Schlabberhose auch den heutigen Freitag annektieren, Facebook hat's erlaubt. Doch wer über den Jogginghosentag berichtet, sollte dabei nicht zu erwähnen vergessen, dass Madonna, Paris Hilton und Miley Cirus das Ding ohnehin längst straßenfähig gemacht haben. Dass selbst Präsident Obama sich im Trainingsanzug blicken lässt. Und die graue Kuschelhose es schon vor Jahren
auf den Laufsteg geschafft hat.
Von wegen «Probier's mal mit Gemütlichkeit». Die Jogginghose ist auch längst geentert und ins System eingepasst. Sollen sie doch in Jogginghose kommen, Hauptsache, es wird rangeklotzt, denkt sich der moderne Arbeitgeber und scherzt auf dem Flur ein wenig mit seinen Untergebenen über das heutige Outfit.
Seit sie hipp ist, hat die bequeme Hose ihre Identität eingebüßt. Zumal in angelsächsischen Ländern ja sowieso schon casual Friday herrscht. Wer freitags in Australien zur Bank geht, trifft seinen Berater dort regelmäßig in Freizeitklamotte an. Einmal Jogginghosentag im Jahr - das ist geradezu reaktionär.
Dieser Text ist auch bei news.de erschienen.