Wenn alles sauber ist, merkt das niemand. Wenn es schmutzig bleibt, fällt es jedem auf. So klingt das tragische Credo der Putzfrauen, aber sie dürfen getrost sein, allen anderen Menschen geht es in sämtlichen anderen Berufsgruppen und dem
ganzen Leben exakt genauso.
Steht die Zeitung wie jeden Tag voller Buchstaben, achtet niemandem weiter darauf, viele der Lettern landen ungelesen im Altpapier. Aber sind die Seiten weiß, steckt entweder eine Aktion dahinter oder es hätte nicht passieren dürfen. Alle reden drüber, selbst die, die es nie gelesen hätten. Ist der Clown nicht lustig, hat er versagt, ist der Freund nicht lieb, ist er ein Miststück, verkauft der Eismann kein Eis, sind die Kinder traurig.
Was wären wir ohne die feste Bänke im Alltag, Erwartungen, die in 99,9 Prozent der Fälle erfüllt werden? Haltlos stolperten wir durch die Straßen, auf der Suche nach einem Bus, der die Räder an der richtigen Stelle hat und fahren kann, nach Häusern, deren Tür zur Straße zeigt und Menschen, die „Guten Tag, wie geht es Ihnen“ sagen und nicht „Sie dreckiges Schwein haben meine Zähe versteckt“.
Wat soll dä Quatsch? Gute Frage. Nun, eine Putzfrau hat in einem Dortmunder Museum getan, was von ihr erwartet wird, sie hat geschrubbt und dabei einen weißen Fleck entfernt, der unerlässlicher Bestandteil eines Werkes war. Das ist jetzt schlimm, lässt sich nicht wieder gutmachen, die Installation ist hinüber. Dabei waren die Putzfrauen doch gebrieft, verteidigt sich das Museum. Finger weg von der Kunst. Doch der Widerstreit zwischen Kunst und Putzteufeln ist manifest. Genau 25 Jahre ist es her, dass ein Hausmeister Joseph Beuys' legendäre Fettecke entfernte, und jetzt hat es eben den Kalkfleck ereilt.
Nur die Kunst schafft es, die schnöden Gesetze der 99,9-Prozent-Realität zu sprengen. Sie rückt das unbeachtete Heinzelmännchen in den Fokus, weil seine reinliche Routine plötzlich zur Zerstörung mutiert. Nicht immer müssen das geldschwere Werke sein, manchmal ist es auch nur kreativer Siff auf einem Büroschreibtisch. Wo Kunst anfängt, hört die Reinlichkeit auf.
Wo das hinführen muss, liegt auf der Hand. Wenn Schmutz plötzlich zum gehegten Gut mutiert, kann eine Haustür auch mal im dritten Stock hängen, Eismänner Gemüse verkaufen, Busse alle Viere von sich strecken - und wir dürfen statt Artigkeiten von uns zu geben endlich mal direkt von der Seele weg sprechen.
Was uns diese Lektion eigentlich schmackhaft machen sollte ist die tägliche Portion Wahnsinn, die das Leben würzt. Miesepetrige Museumsdirektoren und bierernste Kunstliebhaber allerdings haben die Botschaft nicht verstanden. Die gehören tatsächlich ins Museum, zu 100 Prozent.