Wer schonmal geboren hat, weiß: Der Moment zwischen Schwangerer und Mutter ist heiß umkämpft, und danach ist nichts mehr, wie es war. Doch die Verbindung zwischen beiden Zuständen ist derart tief in den Eingeweiden von Mutter Natur verankert, dass unser menschlicher Verstand einfach nicht drankommt. Eben noch hermetisch abgeschlossen, sicher verpackt und automatisch versorgt im runden Bauch, jetzt plötzlich nackt, unsicher und absolut hilfsbedürftig in unseren Armen. DAS war die ganze Zeit in uns drin? Unfassbar.
Marni Kotak will es jetzt für uns fassbar machen. Die New Yorkerin stilisiert sich selbst zum Kunstobjekt, um endlich eine Kontinuität zu schaffen zwischen dem nachher kaum mehr erinnerbaren Vorher und dem zuvor nicht vorstellbaren Nachher. Sie gebiert ihr Erstgeborenes in einer Kunstgallerie, und damit kein Zweifel aufkommt, dass es sich dabei um etwas Exemplarisches handelt, nennt sie ihr Baby «X». Vorher, denn wie und was es nachher sein wird, weiß ja auch Marni Kotak noch nicht.
Aber sie opfert sich der Menschheit, vor allem der etwas größeren weiblichen Hälfte. Indem sie diesen unfassbaren Moment in die Kunst hebt, wird er greifbar. Was Kunst ist, ist dann irgendwie auch real. Denn was ist Kunst mehr als die Überhöhung oder Unterhöhlung des Lebens, damit wir ein bisschen mehr kapieren, was da eigentlich abgeht?
Was Marni Kotak tut, ist mutig, eigentlich eher schon Kamikaze, denn klar ist, sie wird leiden, sie wird in die Öffentlichkeit kehren, was sie selbst nicht in ihrem Inneren vermutete, sie wird nackt sein. Und Baby X auch.
Dass sie damit auch ihr Kind in etwas reinzieht, was es nicht zu verantworten und vorerst auch nicht verdient hat, wird sie sicher büßen. Mit schlaflosen Nächten, hängenden Brüsten und all der Undankbarkeit, die ein Kind so zu versprühen weiß. Aber das weiß sie noch nicht, und vielleicht macht sie, um es zu verstehen, dann auch eine Aktion draus. Schlaflos in der Galerie.
Uns spätestens dann wird uns allen klar werden: Unwissenheit ist am Ende doch die bessere Wahl.