Sie wollte sich der Staatsgewalt nicht beugen, also setzte sie eine Waffe ein, von der sich Männer gern freiwillig außer Gefecht setzen lassen: die Brust. Doch die US-Amerikanerin Stephanie Robette hatte nicht etwa vor, die Polizeibeamten mit ihren weiblichen Weichteilen zu bezirzen, sie drückte knallhart ab und beschoss die Polizisten mit Muttermilch.
So geschehen vor zwei Tagen in Delaware, Ohio, wie der Sender Fox 8 berichtet. Gut, Stephanie Robette war betrunken, ein Zustand, der sich grundsätzlich nicht mit dem Stillen vereinbaren und damit ihre gesamte Handlungsweise massiv fragwürdig erscheinen lässt. Mrs. Robette ist hier bis zum Äußersten gegangen, das von den Sherrifs in Delaware aufgenommene Foto beweist, sie war nicht ganz da. Trotzdem lässt ihre Attacke tief blicken.
Denn Muttermilch ist ein magischer Saft - und damit Dreh- und Angelpunkt einer großen Kontroverse. Dass Menschen plötzlich Milch geben, ist zwar das Normalste der Welt, verunsichert den modernen Menschen jedoch zugleich enorm. In den 1970er und 80er Jahren, als Nestlé und Co. die wunderbare Flaschennahrung auf den Markt brachten, war es geradezu verpönt, noch selbst anzulegen. Stolz schoben Mütter ihren Babys die Flasche in den Hals, um zu beweisen: Wir sind sind nicht mehr auf diese ollen Brüste angewiesen, wir haben jetzt Gummischnuller! Positiver Nebeneffekt: Die Brust blieb oben.
Doch auch wenn 1970er und 80er in Musik und Mode ein Revival erfahren, in Sachen Stillen hat sich das Blatt gewendet. Die heutige Mutter will ihrem Kind so nah sein wie möglich und sehnt sich zurück zur Natur. Ja, wir sind Milchkühe und stehen dazu. Die Brust zu reichen ist en Vogue, Hebammen helfen durch intensives Anlegen, Reiben und Massieren über Durststrecken hinweg, die Stillratgeberbuchpressen rotieren, Wollwachs und Stillhütchen muss man einfach da haben.
Muttermilch ist allgegenwärtig
Es gibt Frauenmilchannahmestellen für Mütter, die zu viel haben und Babys, die zu wenig bekommen. Muttermilch hilft gegen kleine Wunden am Babykörper, beruhigt Neugeborenenakne und vertreibt - in die Nase gespritzt - den Babyrotz und - in die Augen geträufelt - den Eiter. Manche schwören drauf, andere finden es eklig. Viele Frauen stillen zwar brav ihre Babys, haben aber selbst noch nie probiert, was sie ihnen da eigentlich einflößen.
Im Gegensatz dazu schlug die erste Muttermilch-Eiscreme, die Anfang des Jahres eine Londoner Eisdiele verkaufte, voll ein. Die Gesundheitsbehörde allerdings machte dem Spaß bald ein Ende und bedung sich aus, die Sorte namens «Baby Gaga» erstmal intensiv unter die Lupe zu nehmen.
Ja, Stillen ist in Mode - aber so richtig entspannt ist der Umgang mit dem ureigenen Saft trotzdem nicht. Manche ziehen sich zum Stillen komplett zurück, andere schieben sich plakativ in die Öffentlichkeit, nehmen an Fotowettbewerben teil und fordern beim «Nurse In» mehr Rechte für stillende Mütter. Nicht umsonst existiert bereits der Begriff «Lactivist». Wer sich für die Flasche entscheidet, wird im Gegenzug schnell als Rabenmutter gestempelt, wer sein Kind mit zwei Jahren noch nicht entwöhnt hat, gilt hingegen auch als schief gewickelt.
Auch die Wunderwaffe Muttermilch ereilt das Los unserer überregulierten Gesellschaft: Wir einigen uns auf einen Standard, und alles, was nicht normal ist, gilt gleich als verrückt. Sechs Monate voll und dann noch ein paar zum Abgewöhnen hinten dran - und Mama hat alles richtig gemacht. Erfrischend, wenn dann doch mal ein paar Spritzer querschießen.