Dienstag, 22. November 2011
Es ist eine seltsame Krise, in der die Welt sich windet: Die Frauen tragen keine Stöckel. Normalerweise tun sie das, sobald es wirtschaftlich an die Eingeweide geht, hat die Konsumforschung von IBM für uns herausgefunden. Das muss wohl daran liegen, dass wir Frauen das Leben bejahen und auch den Männern zeigen wollen: Es geht immer irgendwie weiter, und sei es auf unbequem hohen Hacken.
Deshalb donnern wir uns umso mehr auf, je düsterer es finanziell wird. Während die kleine Hälfte der Menschheit in Depression verfällt, weil sie ihrer Rolle als Ernährer nicht mehr überzeugend gerecht werden kann, streift sich die etwas größere die Absätze über und sieht zu, dass sie ein wenig für Stimmung sorgt. So war es immer, und so könnte es auch diesmal sein - doch die Herrschaften werden enttäuscht, teilen die Konsumforscher mit, die für ihre Studie Social-Media-Einträge ausgewertet haben.
Dabei haben die Jungs doch gerade durch ihre urmännlichen Eigenschaften mal wieder so eine richtig feine Krise herbeigezaubert. Spekuliert und einen auf dicke Hose gemacht, bis selbst die schillernste Immobilienblase geplatzt ist und die leersten Wertpapiere angefangen haben zu stinken. Große Klappe und nichts dahinter, wir Weiber kennen das schon. Nun hat es eben auch der Finanzmarkt zu spüren bekommen.
Doch diesmal hat die holde Weiblichkeit offenbar keine Lust, Ausputzer zu spielen. Von wegen High Heels! Die Zeiten, in denen wir unsere Jungs für ihr Scheitern auch noch gehätschelt haben, sind vorbei. Wir vergnügen uns lieber auf unsere Art und in flachen Schuhen, das ist auf die Dauer eh gesünder und frau hat ein bisschen ihre Ruhe. Auch, um sich nebenbei darum kümmern zu können, mit weiblichen Qualitäten die ganze Sache diesmal auf etwas solidere Füße zu stellen.
Dann können wir die Männer immer noch zurückholen. Wurde nicht der Minirock auch mitten im Wirtschaftswunder erfunden? Also keine Angst,
Männer, es ist noch nicht alles verloren. Wir machen das schon. Aber eben auf unsere Art.
Dienstag, 8. November 2011
Das wäre die Chance gewesen für den Präsidenten der Vereinigten Staaten, seine Macht ins Unendliche auszudehnen. Er hätte einfach nur «Yes, we do» sagen müssen und sich damit quasi zum Präsident über außerirdisches Leben aufgeschwungen.
Dass es bisher noch keine Kontaktaufnahme gab zu den Aliens, dass es auch an eindeutigen Beweisen für ihre Existenz fehlt – an sowas ist das Volk doch längst aus dem Politalltag gewöhnt. Bester Beleg ist der tägliche Wirtschaftswahnsinn. Die Erklärung, wie das weltweite Finanzsystem wirklich funktioniert, steht nach wie vor aus, zumindest für 99 Prozent der Bürger. Welche Milliardenbeträge fiktiv sind und welche real, das blickt längst kein Mensch mehr. Dennoch zweifelt niemand daran, dass sie unser Leben bestimmen.
Jene 17.000 Amerikaner, die nun per Petition das Weiße Haus aufgefordert haben, die Präsenz von Außerirdischen auf der Erde zu bestätigen, haben dem Präsidenten der Vereinigten Staaten quasi eine Steilvorlage gegeben. Eine einmalige Gelegenheit, vom irdischen Mumpitz zu abstrahieren und sich an Höherem zu profilieren, während die Republikaner auf der Suche nach einem Gegenkandidaten im Schlamm wühlen.
Doch dieser Barack Obama ist einfach zu integer. Anstatt sich selbst im grünlichen Strahlen zu sonnen, ließ er schlicht seinen wissenschaftlichen Berater Phil Larson sprechen, und der tat das dringliche Anliegen Tausender auf trockene Weise ab. «Die US-Regierung hat keinen Beweis dafür, dass Leben außerhalb unseres Planeten existiert oder dass eine außerirdische Lebensform ein Mitglied der Menschheit kontaktiert hat», stellt Larson fest.
«Die Leute können mit der Wahrheit umgehen»
Aber er schloss auch nichts aus: Das bedeute ja nicht, dass außerirdisches Leben nicht diskutiert und erforscht werde. Dass nicht eine Heerschar von Regierungsbehörden damit beschäftigt sei, herauszufinden, ob Leben außerhalb der Erde existiere. Dass dessen Existenz nicht sogar wahrscheinlich sei. Nur einen Kontakt hält das Weiße Haus laut Phil Larson eben nicht für realistisch: «Die Chancen, mit irgendeinem von ihnen in Kontakt zu treten – vor allem mit intelligentem Leben – sind extrem gering, wenn man die enormen Entfernungen bedenkt.»
Kein Beweis sei der Öffentlichkeit verborgen worden, betonte Phil Larson, denn genau das hatte die Petition unterstellt: 80 Prozent der Amerikaner seien überzeugt, dass die Regierung nicht alles verrate, was sie wisse. «Die Leute haben ein Recht, es zu erfahren. Sie können mit der Wahrheit umgehen», hieß es da.
Ob sie wirklich mit der Wahrheit leben können, wird sich nun zeigen. Es ist ein steiniger Weg, den Präsident Obama gewählt hat. Wie will er nun das Vertrauen eines Volkes gewinnen, das er in einer derart tiefgehenden Angelegenheit so schnöde enttäuscht hat?
Es wäre so viel einfacher, die Leute glauben zu lassen, wovon 80 Prozent angeblich ohnehin überzeugt sind: «Präsident Obama bestätigt: Er steht in Kontakt mit Außerirdischen.» Die Republikaner Herman Cain, Mitt Romney und Rick Perry müssten sich dann nur noch um lächerliche 20 Prozent prügeln.
Dieser Text ist bei news.de erschienen.
Muslime haben es gut, die müssen nur nach Mekka. Doch auch Anders- und Ungläubige brauchen ein Lebensziel, und weil der Mensch nun mal auf dem Weg nach oben ist und der Weltraumtourismus einfach nicht in die Puschen kommt, heißt die Zwischenstation zu Himmel, Hölle oder Nichts Mount Everest.
Tausende waren schon auf dem höchsten Berg der Erde, nur ein Fünftel allerdings schafft es auch auf dessen höchsten Punkt. Mehr als 200 tiefgefrorene Leichen säumen die letzten Etappen unter dem Gipfel der Gipfel, doch die Gefahr, für den Superlativ das Leben zu riskieren, macht auch den Reiz aus, schließlich wollen die Bezwinger nicht nur Berg und inneren Schweinehund unter sich lassen, sondern auch die Masse der Restmenschheit.
Was auch immer sich diese Wahnsinnigen beweisen wollen, die Tausende Euro in den Aufstieg ihres Lebens investieren, ihr Gepäck von everestgestählten Nepalesen tragen lassen und statt dünner Himalayaluft reinsten Flaschensauerstoff atmen, nun wurden sie vom Wettergott auf die Probe gestellt. Er ließ sie nicht mehr weg aus dem Himalaya, das Dach Gottes wurde zum Knast, und fünf Tage lang hingen 2500 Gipfelstürmer auf einem winzigen Flughafen in Nepal fest, konnten weder hoch noch runter.
Wer ganz nach oben will, hat für widrige Umstände nicht viel übrig, das gilt für abgedrehte Bergsteiger ebenso wie für Aufsteiger der anderen Art. Was im Weg steht, wird weggeräumt oder schlicht ignoriert, seien es nervige Mitkonkurrenten, unpassende Gesetze oder die eigene Familie, die um Aufmerksamkeit buhlt.
Wenn so ein Aufsteiger nun plötzlich ausgebremst wird, auf einem Flughafen im Himalayanebel hängt, der Gipfel so nah und doch unerreichbar, wird vielleicht auch ihm in einem Moment der Langeweile plötzlich klar, dass es anderen ständig so geht. Dass Milliarden Menschen gar nicht ganz nach oben wollen, sondern einfach nur irgendwo hin. Und dass die ständig von unüberwindbaren Widrigkeiten ausgebremst werden in ihrem Wunsch, eine Arbeit zu finden, sich ein Auto zu leisten, einen Fernseher, ein Dach über dem Kopf, einen Teller voll Essen, ein Glas Wasser. Oder einfach nur zu überleben.
Ist der stets nach oben strebende Mensch soweit gekommen, hat er zwei Möglichkeiten vor sich. Entweder er wird vernünftig und entdeckt die echte Füllung des Lebens. Oder er dreht total am Rad auf der Suche nach dem nächsten Kick. Und landet demnächst mit einem Hubschrauber in Mogadischu, ganz ohne Gepäck. Um mal zu gucken, wie das so ist, so ganz, ganz unten.
Freitag, 4. November 2011
Wenn alles sauber ist, merkt das niemand. Wenn es schmutzig bleibt, fällt es jedem auf. So klingt das tragische Credo der Putzfrauen, aber sie dürfen getrost sein, allen anderen Menschen geht es in sämtlichen anderen Berufsgruppen und dem
ganzen Leben exakt genauso. Steht die Zeitung wie jeden Tag voller Buchstaben, achtet niemandem weiter darauf, viele der Lettern landen ungelesen im Altpapier. Aber sind die Seiten weiß, steckt entweder eine Aktion dahinter oder es hätte nicht passieren dürfen. Alle reden drüber, selbst die, die es nie gelesen hätten. Ist der Clown nicht lustig, hat er versagt, ist der Freund nicht lieb, ist er ein Miststück, verkauft der Eismann kein Eis, sind die Kinder traurig. Was wären wir ohne die feste Bänke im Alltag, Erwartungen, die in 99,9 Prozent der Fälle erfüllt werden? Haltlos stolperten wir durch die Straßen, auf der Suche nach einem Bus, der die Räder an der richtigen Stelle hat und fahren kann, nach Häusern, deren Tür zur Straße zeigt und Menschen, die „Guten Tag, wie geht es Ihnen“ sagen und nicht „Sie dreckiges Schwein haben meine Zähe versteckt“. Wat soll dä Quatsch? Gute Frage. Nun, eine Putzfrau hat in einem Dortmunder Museum getan, was von ihr erwartet wird, sie hat geschrubbt und dabei einen weißen Fleck entfernt, der unerlässlicher Bestandteil eines Werkes war. Das ist jetzt schlimm, lässt sich nicht wieder gutmachen, die Installation ist hinüber. Dabei waren die Putzfrauen doch gebrieft, verteidigt sich das Museum. Finger weg von der Kunst. Doch der Widerstreit zwischen Kunst und Putzteufeln ist manifest. Genau 25 Jahre ist es her, dass ein Hausmeister Joseph Beuys' legendäre Fettecke entfernte, und jetzt hat es eben den Kalkfleck ereilt. Nur die Kunst schafft es, die schnöden Gesetze der 99,9-Prozent-Realität zu sprengen. Sie rückt das unbeachtete Heinzelmännchen in den Fokus, weil seine reinliche Routine plötzlich zur Zerstörung mutiert. Nicht immer müssen das geldschwere Werke sein, manchmal ist es auch nur kreativer Siff auf einem Büroschreibtisch. Wo Kunst anfängt, hört die Reinlichkeit auf. Wo das hinführen muss, liegt auf der Hand. Wenn Schmutz plötzlich zum gehegten Gut mutiert, kann eine Haustür auch mal im dritten Stock hängen, Eismänner Gemüse verkaufen, Busse alle Viere von sich strecken - und wir dürfen statt Artigkeiten von uns zu geben endlich mal direkt von der Seele weg sprechen. Was uns diese Lektion eigentlich schmackhaft machen sollte ist die tägliche Portion Wahnsinn, die das Leben würzt. Miesepetrige Museumsdirektoren und bierernste Kunstliebhaber allerdings haben die Botschaft nicht verstanden. Die gehören tatsächlich ins Museum, zu 100 Prozent.
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